In den Köpfen von Verbrauchern und Politikern besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Anwendung antimikrobieller Arzneimittel in der Tierhaltung und Antibiotikaresistenzen (AMR), was zu gesellschaftlichem Druck führt.

In den letzten 10 Jahren haben die Behörden Maßnahmen ergriffen, um den Einsatz antimikrobieller Arzneimittel (AMU) in der Tierhaltung und bei Haustieren zu minieren, insbesondere auf EU-Ebene. Dies hat zu einer enormen Reduzierung um 47 % in 10 Jahren geführt!

In der Milchviehhaltung entfallen 70% des AMU auf das Eutergesundheitsmanagement: Behandlung der klinischen Mastitis (CM) und die Trockenstell-Therapie (DCT). Die selektive DCT wird nun seit mehr als einem Jahrzehnt propagiert. Von den Landwirten wird diese nur langsam angenommen, da die Umsetzung und deren Auswirkungen für Sie neu und ungewiss sind.

Das Hauptprinzip der selektiven antimikrobiellen Behandlung von nicht-schweren klinischen Mastitis-Fällen besteht darin, nur solche Fälle zu behandeln, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf antimikrobielle Mittel ansprechen (z. B. gram-positive CM).

Das Ziel der selektiven CM-Behandlung besteht darin, Fälle nicht zu behandeln, die nicht von einer antimikrobiellen Behandlung profitieren. Dies bedeutet, dass schwere Fälle ausgeschlossen und potenziell ursächliche Erreger mit hoher Spontanheilungsrate (z. B. kulturnegative und die meisten leichten gram-negativen Fälle) berücksichtigt werden.

In diesem Fall ist es von entscheidender Bedeutung, dass innerhalb von 24 Stunden nach Entdeckung des Falles eine genaue Erreger-Identifizierung möglich ist. Es sind mehrere kommerzielle Schnelldiagnosetests erhältlich, mit denen der Erreger identifiziert werden kann. Diese basieren oft auf Kulturverfahren und die Identifizierung findet über Selektivmedien auf Platten oder in Röhrchen statt. Die Sensitivität zur Identifizierung gram-positiver Bakterien liegt zwischen 59 und 98 %, die Spezifität zwischen 48 und 97 %.

Erwartete Heilungswahrscheinlichkeit: Der Somatic Cell Count (SCC) der Kuh und die CM-Anamnese können zusammen mit den Ergebnissen der diagnostischen Schnelltests (gram-positiv oder gram-negativ) zur Identifizierung von CM-Fällen mit hoher Heilungswahrscheinlichkeit verwendet werden.

Erregerdifferenzierung: Ist die Basis für eine selektive CM-Behandlungsstrategie (gram-positiv oder -negativ).

Unterstützende Behandlungen: Neben der Schmerzbehandlung können NSAIDs weitere Vorteile bieten: niedrigere Rektaltemperaturen, niedrigere Herzfrequenz und Verbesserungen der Pansenmotilität sowie Linderung der klinischen Symptome.

Andere Arten von unterstützenden Behandlungen werden manchmal in CM-Behandlungsprotokollen in Betracht gezogen, es gibt jedoch keine ausreichende Studienlage zur Bewertung ihrer Wirksamkeit.

Ergebnisse von Betrieben nach Einführung selektiver Behandlungsmaßnahmen bei klinischen Mastitiden:

  • Eutergesundheit: Eine kürzlich durchgeführte systematische Überprüfung und Metaanalyse verglich 13 Studien, welche die Auswirkungen selektive zu nicht selektiven Behandlungsprotokollen auf Eutergesundheitsparameter haben. Es zeigte sich, dass ein selektives Protokoll hinsichtlich der bakteriologischen Heilung nicht unterlegen war. Darüber hinaus fand die Überprüfung keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den Fällen hinsichtlich des Risikos neuer Infektionen, des Wiederauftretens von CM später in der Laktation, der SCC-Senkung auf den Ausgangswert sowie des durchschnittlichen Milchertrags und des Abgangsrisikos.
  • Einsatz von Antibiotika: In der gleichen Untersuchung wurde eine variable Verringerung der AMU festgestellt: Bei einem Anstieg des Anteils der als gram-negativ oder kulturnegativ identifizierten Fälle um 10 Prozentpunkte stieg der Anteil der verringerten AMU um 9,1 Prozentpunkte (95 % CI: 0,4 – 14,1 %).
  • Wirtschaftliche Folgen: Die möglichen Vorteile einer selektiven Behandlung von CM-Fällen: geringere Behandlungskosten und weniger Tage Sperrmilch. Ein selektives Behandlungsprotokoll auf der Grundlage der Bakteriologie im Betrieb war auch dann von Vorteil, wenn weniger als 50 % der CM-Fälle gram-positiv waren. Der wichtigste Faktor, der sich auf die Kosten auswirkte, waren die Unterschiede bei der Sperrmilch.

 

Ein Blick in die Zukunft…

Die Einführung selektiver klinischer Mastitis-Behandlungsprotokolle wird in der EU weitgehend gefördert. Die Einführung von Schnelltests in den Betrieben erfordert von den Betrieben und ihren Mitarbeitern ein hohes Maß an Motivation und Einsatzbereitschaft. Die ordnungsgemäße Anwendung und Interpretation der Tests im Betrieb ist von entscheidender Bedeutung und erfordert Schulung sowie häufige Praxis. Dabei kann eine ausreichend hohe Anzahl von CM-Fällen pro Monat notwendig sein, um das gelernte Wissen zu erhalten.

Der Einsatz eines von NSAIDs als Ersatz für eine antimikrobielle Behandlung bei leichten und mittelschweren Fällen könnte sich positiv auf das Wohlbefinden der Tiere auswirken.

Die diagnostische Genauigkeit mehrerer Schnelltests für landwirtschaftliche Betrieben ist nicht optimal. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) kann als alternativer Schnelldiagnosetest zu kulturbasierten Methoden eingesetzt werden.

Zur Vorhersage von Heilungswahrscheinlichkeiten anhand von SCC und der Mastitis-Historie fehlen spezifische Schwellenwerte.

In Betrieben mit automatisierten Melksystemen wurden keine Studien durchgeführt, in denen selektive oder nicht selektive CM-Behandlungsprotokolle angewendet wurden.

Zur leichten Umsetzung von selektiven Behandlungen ist es wichtig, dass die Protokolle leicht verständlich und auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten sind. Dazu ist auch ein Verständnis der Motivationen, den Möglichkeiten und den sozialen Aspekten erforderlich.

Zusammenfassend profitieren nicht alle klinischen Mastitis-Fälle von einer antimikrobiellen Behandlung. Daher ist die Identifizierung von Fällen, die davon profitieren, der Schlüssel zur Unterstützung einer Antibiotikaminimierung in der Milchwirtschaft. Charakteristische Merkmale wie die tierindividuelle Betrachtung oder die Herdengeschichte sind zusammen mit der schnellen Erregeridentifizierung für die Behandlungsentscheidung erforderlich. In der Literatur wurde über keine negativen Folgen für die Eutergesundheit berichtet. Die Gabe von NSAIDs verbesserte die Ergebnisse und es gab keine nachweislichen negativen wirtschaftlichen Folgen.

Die Akzeptanz hängt von der Gesetzgebung, den Managementsystemen und von Kontrollprogrammen ab. Das Ausmaß der Antibiotika-Reduktion hängt von den Erregern ab, die für CM verantwortlich sind.

By Stéphane FLOCH – DVM – International Medical Manager Udder Health at Vetoquinol
Vetoquinol SA, 37 Rue de la Victoire, Paris FR